5. Dezember 2022
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Es ist fünf vor Zwölf! Konflikte und Mobbing in der agilen Arbeitswelt werden immer mehr!

Konflikt-Coaches, Mediatoren, Mobbing-Berater würden sagen: es ist für uns eine Zeit angekommen!

Mehr denn je passiert es in Organisationen, dass aufgrund von Veränderungen: alle Mitarbeitende wieder zurück ins Büro oder agile Projekte vs. Wasserfall, Konflikte zwischen Personen entstehen, und sie tragen diese Konflikte häufig aus als Stellvertreter fehlender Strukturen und Prozesse. Schnell werden Rollen einfach mal doppelt besetzt oder es entsteht ein Vakuum und jemand nimmt sich eine Zusatzrolle- bzw. -aufgabe. Ohne Abstimmung, ohne den systemischen Blick auf das Ganze. Und bei agilen Transformationen kehren wir schnell mal Konflikte unter den Teppich. Schnell arbeitsfähig heißt die Devise, am besten gar kein Storming und direkt rüber zum Performing, um es mit Tuckman-Teamphasen auszudrücken. Jeder erfahrende Teamentwickler und Coach weiß, wie gefährlich das ist, denn werden verdrängte Konflikte „kalt“, drohen wichtige Vorhaben zu eskalieren. Es ist wie bei einer verschleppten Krankheit. Irgendwie wird es chronisch und man gewöhnt sich daran. Das tut niemandem gut!

Daraus resultierende Überlastungen, Burnout, fehlende Qualität, Demotivation u.v.m. sind toxische Zutaten in Zeiten von Arbeitskräftemangel und immer höher werdenden Anforderungen vom Markt. Doch: Quo vadis?

Welche Werte sind noch gefragt? Und wer ist von disruptiven Veränderungen betroffen?

Schauen wir in die Welt der Banken, Versicherungen, Energie-Versorger, Telekommunikation etc. Viele davon möchten agil unterwegs sein. Sei es Hybrid wie z.B. mit dem SAFe Framework, sei es mit Spotify als Weiterentwicklung der Matrix-Organisation um 90° Grad gedreht und crossfunktionalen Teams oder etwas völlig Neues z.B. einem selbst designten Modell.

Schnell entsteht ein Mix aus internen und externen Beratern unterschiedlicher Agenturen oder als Freelancer und damit auch sehr diverser agiler Erfahrungen.

Wie hat denn alles angefangen? Viele Mitarbeitende haben ihr berufliches Umfeld in der Bank, dem Telekom-Unternehmen gewählt, weil für sie der Aspekt Sicherheit als Wert sehr wichtig ist. Wir erleben in diesem Unternehmen lange Zugehörigkeiten, kaum Erfahrungen in anderen Organisationen, eine hohe Loyalität, das Logo scheint schon internalisiert. Die externen Dienstleister, als Freelancer, oder fast schon Click-Worker strahlen eher Risikofreude, Wechselbereitschaft, schnelle Anpassung und eine Zugehörigkeit zum Projekt aus, als zur Organisation.

Da ergeben sich schnell Wertekonflikte, vermeintlich zwischen einem Fixed und Growth Mindset, zwischen Jung & Alt, zwischen intern & extern, zwischen unterschiedlichen Nationalitäten, da häufig die Development-Teams aus Niedriglohnländern rekrutiert werden.

Ich erlebe, dass auch im Agilen Setting die Pyramide, das Organigramm noch in den Köpfen lebt. Da gibt es Agile oder Scrum Master, Product Owner. Doch wenn es darum geht, Karriere zu machen, kann man gerne eine Stufe nach oben fallen und wird Agile Coach oder People Lead. In Interviews zur Konfliktklärung höre ich: Die da oben haben eine Mauer gegen mich aufgebaut. Ist das agil?

Im agilen Setting fokussieren wir mehr und mehr auf laterale Führung, auf Unterstützung, denken in Prime Directive, d.h. wir lernen aus Fehlern, beschuldigen nicht und bauen vor allem keine Mauern nach unten auf.

Menschen, die sich in der klassischen Aufbau-Organisation sozialisiert haben, haben gelernt, sich an den Unternehmenswerten zu orientieren, um das nächste Treppchen zu erklimmen, wenn man brav und fleißig ist und die Extrameile geht. Und man trägt jetzt, in der agilen Transformation, die Veränderung voll mit. Will absolut loyal sein! Ist jedoch wertemäßig auf die neue Art des Arbeitens nicht vorbereitet, bzw. diese Art entspricht nicht den eigenen Werten und so kommt es zum intrapersonellen Konflikt.

Diese intrapersonellen und interpersonellen Konfliktherde sind explosiv, da sie meistens unbewusst ausgetragen werden. Es zeigt sich, dass Konfliktmoderation (eine Moderation, die auf Konflikte aufgesetzt ist) oder eine Mediation (die Sicherung der Allparteilichkeit und Freiwilligkeit) für Unternehmen in der agilen Transformation extrem wichtig ist.

Zudem sind die Rollen (Agile Master, Agile Coach, People Lead, Product Owner u.v.m.) im agilen Kontext oft nicht systemisch gedacht. Wer ist beispielsweise für die Konfliktlösung zuständig, wer trägt im Fall von Mobbing die Fürsorgepflicht als „Vorgesetzter“ bzw. „Führungskraft“? Als Teil des Teamsystems kann der Agile oder Scrum Master auf keinen Fall zugleich der Mediator sein. Da fehlt die Neutralität und oft auch das entsprechende Handwerkszeug. Es sollte jedoch in den Rollen ein Konfliktbewusstsein entwickelt werden, um eventuell frühzeitig Rollen- und Wertekonflikte, zwischenmenschliche Verstimmungen, strukturelle Zusammenstöße zu erkennen.

Intrapersonelle vs. Interpersonelle Konflikte (lt. Konflikt-Theorie)

Menschen verändern sich generell nicht gerne und nicht einfach so, weil sie es sollen. Daher ist ein Grundwissen über die Psychologie der Veränderung wichtig. Was bedeutet es für die Person, intrapersonell, wenn sich die Werte verändern, z.B. zwischen dem agilen Wert „Offenheit“ und dem heimlichen Bedürfnis, sein Wissen für sich zu behalten.

Interpersonelle Konflikte sind z.B. das Rangeln um Positionen, um Budget, um Anerkennung. Wer hat welche Ziele, Interessen, Rollen? Häufig werden diese Konflikte nicht offen ausgetragen, sondern werden unter den Teppich gekehrt, bis es wie ein Vulkan explodiert.

 

Konflikte durch mangelhafte Framework-Kompetenz:

Hat wirklich jeder agiles Arbeiten verstanden? Sind die Rollen klar? Welches Verhalten erwarten wir, wenn es um das richtige Mindset geht? Und was wenn es Lücken bzw. vakante Positionen in dem Setting gibt? Was wenn in einer hybriden Organisation, die Nahtstellen nicht miteinander harmonieren.

Scrum, Spotify, SAFe oder ein eigenes Framework ist im Vergleich zu Aufbau-Organisation revolutionär, und wir müssen die Teams und die Rollen-Inhaber befähigen. Wer bildet aus, wie kann ein mögliches Assessment aussehen. Wir können niemanden einfach so in die neue Arbeitswelt schicken nach dem Motto: „wir arbeiten morgen nach Scrum“, das ist mehr als ein KANBAN Board oder tägliche Meetings.

Mögliche Konflikte, die sich in einem agilen Setting ergeben:

  • Qualifizierungs-Konflikt: Die Player sind nicht ausreichend befähigt und versuchen die neuen Rollen bestmöglich auszufüllen, ohne Qualifizierung, Begleitung, Feedback und Reflexionsrunden.
  • Chronische Konflikte werden auf die agile Reise mitgenommen, z.B. nicht gelernte Konfliktbearbeitung, informelle Hierarchien sowie gegenseitiges, gruppendynamisches Abwerten: „Die anderen sind böse, wir sind gut“, „Die haben die Fehler gemacht, nicht wir!“
  • Konflikt beim Umgang mit den neuen Rollen: Wer ist nun der Chef? Wie können wir als Team selbstorganisiert arbeiten? Woran können wir uns orientieren?
  • Verteilte Führung-Konflikt: Wenn die Führungsrollen wie bei Shared LeaderShift sharedleadershift.com auf unterschiedliche Schultern verteilt sind. wie gehen neue, laterale Führungskräfte vertrauensvoll miteinander um? Wie schaffen sie es, auf Augenhöhe zu kommunizieren, ein gutes Miteinander und Transparenz in der Kollaboration zu leben? Eine FührungsKRAFT zu sein, die Halt und Steuerung aus der Lateralität ermöglicht. Alle Player müssen in die neuen Rollen hineinwachsen und sie fühlen, ja und es sollte vorab stärkenkonform „rekrutiert“, bzw. ausgewählt werden.
  • Kommunikations-Konflikte Missverständnisse bei maximaler Diversität. Diese müssen immer wieder reflektiert, korrigiert und evaluiert werden.
  • New-Work- vs. Old-Work-Konflikt: Ist es tatsächlich so, dass alle Bereiche „agilisiert“ werden müssen? Wie schauen wir auf die Mitarbeitenden, die diesen neuen Weg (noch) nicht gehen (müssen). Wie gehen Agilisten mit Linien-Kollegen um? Gibt es einen Hoch-Status Verhalten? Wir sind besser? Und wie sind die Spielregeln in der Organisation, wenn hybrid vorgegangen wird, und jeder wichtig und richtig ist?
  • Karriere-Konflikte: Wie macht man Karriere in einem agilen Setting? Ist es doch das Treppchen nach oben, z.B. Scrum-Of-Scrum Master zu werden? Wir kennen es seit vielen Jahrzehnten, dass eine Experten-Karriere nie so interessant war, wie eine Führungs-Karriere? Auch wenn die eigenen Stärken nicht in der Mitarbeiterführung lagen. Worauf wird in der Agilen Arbeitswelt Wert gelegt? Wie bekomme ich die entsprechende Sichtbarkeit, um meine eigene „hidden agenda“ in Richtung Karriere zu verfolgen. Wenn früher die Experten aus ihrer Expertise heraus Karriere gemacht haben, benötigt heute ein Experte wie ein Product Owner Erfahrung im Umgang mit der Gruppendynamik, der Psychologie der Veränderung, Konfliktlösungskompetenz, ein systemisches Verständnis beim Jonglieren der unterschiedlichen Stakeholder, sei es intern oder extern.
  • Onboarding-Konflikte, Team-Konflikte, Sprach-Konflikte uvw.

Es steht ein enormer Kulturwandel mit reichhaltigen Facetten an. Die neue Arbeitswelt baut auf traditionelle Werte und auf neue Werte aus der „agilen Arbeit“ auf. Manche Werte werden obsolet, neue kommen hinzu. Wir wissen: Organisationsentwicklung ist auch Persönlichkeits- bzw. Personalentwicklung. Dieser Wandel lässt sich nur als Prozess initiieren und umsetzen. Die Verantwortlichen in den Organisation müssen über die Konsequenzen von Veränderungsvorhaben sprechen und sich vielleicht auch davon verabschieden, jeden mitnehmen zu wollen und können.

 

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