31. August 2020
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Radical Candor – Feedback-Kultur des 21. Jahrhunderts

Nach dem Motto: Die Wahrheit ist dem Menschen nicht ungeschönt zumutbar, haben viele Kommunikationskonzepte gerne das Sandwich-Modell propagiert. Sandwich? Ja tatsächlich wird das, um was es geht, die Kritik, eingepackt, vorher und nachher von positiven Beobachtungen, denn Feedback ist ja ein Geschenk!

So ist bei den Betroffenen der Eindruck entstanden, dass eine positive Rückmeldung wahrscheinlich lediglich die Einleitung für eine Kritik ist, und der Empfänger der Botschaft schon innerlich die Augen rollt und sich denkt: komm bitte zum Punkt! Sag um was es geht! Dieses Modell wird oft mechanisch eingeübt und ohne Empathie umgesetzt. Statt ein echtes Beziehungsfeld aufzubauen, bleiben die benannten positiven Beobachtungen an der Oberfläche, eine Politur!

Auch wenn es scheint, dass durch die Digitalisierung die Technik mehr und mehr im Vordergrund steht, so wissen wir, dass in der digitalen Welt die Beziehungen zwischen den Playern, sei es zwischen Führungskraft und Mitarbeiter, bzw. den Mitarbeitern untereinander, der wesentliche Schlüssel zum Erfolg ist.

Radical Candor – Ein Feedbackmodell mit Zeitgeist!

Radikale Offenheit, ein schonungsloser Feedback-Ansatz entspricht dem Zeitgeist. Kim Scott spricht in ihrem TED Talk darüber, was einen guten Leader ausmacht  und zeigt in ihrem Modell einen geradlinigen, zutiefst menschlichen Ansatz, um Beziehungen im persönlichen und beruflichen Kontext zu entwickeln und so miteinander zu wachsen.

Auf der horizontalen Achse erkennen wir die  „Challenge“ für den anderen, es geht also darum, wie stark man das Gegenüber direkt hinterfragt bzw. herausfordert. Auf der vertikalen Achse „I care personally“ geht es darum, dass einem die andere Person wichtig ist. Beide Achsen unterscheiden zwischen niedrig und hoch. Und die Abbildung zeigt, dass beide Aspekte gleich wichtig sind.

Nun bedeutet Caring personally nicht, sich die Geburtstage und die Namen der Kinder zu merken, sondern sich aufrichtig für den Menschen zu interessieren, mit Empathie in die Begegnung, in das Gespräch zu gehen. Es geht darum, Zeit zu finden für wirklich Qualitäts-Gespräche. Es bedeutet sich über die Arbeitsleistung hinaus zu kümmern, den Mitarbeiter auf menschlicher Ebene zu begegnen.

Jemanden zu challengen, direkt herauszufordern, das Beste und Mutigste in ihm wach zu kitzeln, ist eine wesentliche Führungsleistung! Das ist ein Geschenk. Diese wichtigen Gespräche geben dem anderen die Möglichkeit, sich zu verbessern, zu wachsen mit dem Wissen, als Mensch akzeptiert, wertgeschätzt und respektiert zu werden.

Und wie immer beginnt alles bei uns selbst …

Dies bedeutet für die Führung von Teams, ob im Büro oder Homeoffice, dass sich vertrauensvolle Beziehungen zu den Mitarbeitenden ergeben. Wenn dieses Vertrauen besteht und sich die Führungsperson selbst ganz einbringen kann, sich in Selbstreflexion und/oder Meditation übt, die Arbeit von allen als sinnvoll erachtet wird, kann dies zu großartigen Ergebnissen führen. Authentizität vor allem beim Leader ist das A und O. „Pay yourself first“ ist ein Konzept aus „Working Out Loud“ von John Stepper. Ebenso hilfreich sind Self-Awareness- oder Mindfulness-Seminare, Workshops,! Nicht immer ist ein Aufenthalt im Kloster möglich. Medition, Yoga, Gewaltfreie Kommunikation oder der Austausch über die Kreisarbeit erhöhen die Aufmerksam- und Achtsamkeit.

… und vor allem Top-Down:

When Radical Candor vom Vorgesetzten ermutigt und unterstützt wird, kann die Kommunikation ins fließen kommen. Vorurteile und Voreingenommenheit lösen sich auf. Die Teammitglieder beginnen nicht nur ihre Arbeit zu lieben, sondern schätzen auch mit wem sie zusammenarbeiten und wo sie arbeiten. D.h. Radical Candor stärkt so das Mitarbeiter-Engagement und die Arbeitgebermarke, so ganz nebenbei! Und das ist Führungsaufgabe:

In der Führungsrolle besteht die moralische Verpflichtung, jemanden zu unterstützen, bzw. Feedback zu geben, wenn Dinge falsch laufen. Dadurch verbessert sich auch die Führungsleistung, bei Kritik und Lob sowohl die persönliche Fürsorge wie auch direkte Herausforderung zu leben. Wenn diese beiden Achsen in Balance sind, ergibt sich eine gesunde Kollaboration. Wenn Führung zulässt, dass Probleme nicht gelöst werden, Misstrauen und Angst erzeugt bzw. schlechte und falsche Arbeit nicht korrigiert wird, ist dies eine grob fahrlässige Handlung, die effiziente Arbeits- und Unternehmensergebnisse gefährdet.

Was darf bei der Team-Führung nicht passieren?

Die Benennung der einzelnen Felder sind auch als „Wake-up-Call“ zu verstehen und gehen  von „Manipulierend unaufrichtig“, über „Ekelhaft aggressiv“ über „Vernichtend einfühlsam“ hin zu „Radikal ehrlich“ in den grünen Bereich!

Ekelhafte Aggressionen entstehen, wenn man direkt „challenged“ ohne eine persönliche Beziehung aufzubauen und zu kümmern. Oberflächliches, generalisierendes Lob oder Kritik, Arroganz, Überheblichkeit schaffen ein toxisches Arbeitsumfeld, in dem High Performance nicht gedeihen kann.

Manipulative Unaufrichtigkeit erleben wir häufig, wenn Führung darauf aufbaut, das die Mitarbeiter positiv über den Vorgesetzten denken, keine Kritik, zu weich gespülte Entschuldigungen, keine Auseinandersetzung mit Meinungsverschiedenheiten. Hier gibt es kein Korrektiv zu vorhanden Leistung, auch wenn diese fehlerhaft ist.

Ruinöses Einfühlungsvermögen entsteht, wenn es NUR um das Feelgood des Einzelnen geht, aus Angst, durch Herausforderungen oder Kritik zu verletzen. Wenn jahrelang geduldete Fehler zur endgültigen Trennung führen, fallen die Betroffenen meist aus allen Wolken. Warum hat mir das niemand rechtzeitig gesagt! Auch das ist unverantwortliche Führung!

Radical Candor: Momentum im Hier und Jetzt!

Radikale Offenheit beinhaltet wie wir schon gesehen haben beides: eine gute Beziehung und ein Aufzeigen der Fehler, offene Kritik mit möglichen Verbesserungsvorschlägen, oder Coaching-Fragen.

Der Aufbau einer neuen Feedback-Kultur mit Radical Candor besteht aus zwei Teilen:

  1. Bei sich selbst anfangen (wie immer): bitten um radikal aufrichtiges Feedback
    1. Bitten um öffentliche Kritik, Rückmeldung, Feedback von ihrem Team
    2. Nachfragen, um das Team zu ermutigen: z.B. wie kann ich helfen?
    3. Unbedingt auf Antworten drängen, auch wenn die Teammitglieder schweigen
    4. Antworten Sie moderat, ohne Wertung, ohne emotionale Ausbrüche, sondern wiederholen Sie das Gesagte mit Ihren Worten, um zu überprüfen, ob Ihre Interpretation richtig ist.
    5. Bedanken Sie sich für das Feedback!
  1. Sobald die meisten Mitarbeitenden Vertrauen in Radical Candor gewinnen, können diese Schritte für ein Roll-Out als Anleitung gegeben werden, so dass die Team-Mitglieder auch von diesem wertvollen Instrument profitieren können, auch wenn ein Change zu Beginn schwer sein könnte:
    1. Zurückhaltung: Bescheidenheit als Führungskraft legt den Fokus auf das was passiert ist, und nicht auf Ihre Wahrnehmung. Es geht um die Situation, das Verhalten der Person und das Ergebnis.
    2. Hilfsbereitschaft: es muss klar sein, dass sie kritisieren um zu helfen, nicht um zu verletzen.
    3. Unmittelbares Feedback ermöglicht, auf die Besonderheit der Situation einzugehen und sofort Wege zu finden.
    4. Persönlich also face2face on- oder offline: so vermeiden Sie Missverständnisse, merken wenn Ihr Gegenüber verärgert ist oder das Feedback nicht ernst nimmt.
    5. Öffentliches Lob, private Kritik: auch in unserem Kulturkreis kann öffentliche Kritik dazu führen, dass jemand glaubt sein Gesicht zu verlieren, wo hingegen öffentliches Lob den anderen zeigt, was die Messlatte ist und erwartet wird.
    6. Hart in der Sache – weich in der Person: wie im Harvard Modell zielt die Kritik auf das Thema, auf das Verhalten jedoch nicht auf die Person.

Wie findet dieses wertvolle Instrument Eingang in die Unternehmenskultur?

Sie als Vorgesetzter können in Meetings & Gesprächen vorleben, was sie von Ihren Mitarbeitern erwarten und es anleiten und erklären. Sorgen Sie dafür, dass Ihre Mitarbeiter einander mit „Radikaler Offenheit“ begegnen, in dem Sie darauf bestehen, das Konflikte erst einmal untereinander gelöst werden. Schaffen Sie ein Umfeld, in denen Fehler und Erfolge offen diskutiert werden. Lessons Learned!

  1. Steuerung des Wachstum und Mitarbeiterentwicklung durch Radical Candor

Da Sie mehr über Ihre Teammitglieder erfahren, lernen Sie auch mehr über deren Ziele, Motivationen und den Reifegrad und können so die Learning Journey gemeinsam gestalten.

Feedback-Kulturen, auf allen Ebenen der Organisation, sind wichtiger Bestandteil für Entwicklung und Wachstum. Statt über Angst durch „strenges Monitoring und Evaluierung“ die Mitarbeiter einzuschüchtern, entspricht Radical Candor dem Zeitgeist und Growth Mindset. Der Mensch wird als Mensch gesehen, kann sich mit allen Potentialen einbringen und weiterentwickeln, wird gesehen und kann seinen Beitrag zum organisationalen Wandel leisten.

It´s all about people!

 

 

 

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