1. April 2022
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Verdammt in der Selbstorganisation – gibt es einen Ausweg?

Ich bin doch nicht die Kindergartentante! So oder ähnlich klingen Aussagen von Führungskräften, wenn sich Konflikte zeigen und der Arbeitsfluss ins Stocken gerät. Auf der einen Seite stimmt das ja, sonst wäre die Ausbildung als Pädagogin sicherlich erste Wahl gewesen. Doch jetzt sind wir in der Führungsrolle. Zu Beginn von Führungskräften-Seminaren stelle ich daher gerne die Frage: Was hat Mitarbeiterführung mit Kindererziehung zu tun? Und ja: Es tun sich absolut Parallelen in den Rollen auf, so auch die der Kindergartentante.

Unsere Sozialisierung zum Thema Arbeit hat größtenteils in festgelegten Strukturen, in Prozessen und Abläufen, durch Handbücher und klaren Aufgabenbeschreibungen stattgefunden. Morgens die Postbesprechung und jeder Handgriff wurde festgelegt und am Abend überprüft. Gestaltungsfreiraum? Fehlanzeige! Der Wissensarbeiter wurde wie eine Maschine getaktet. Bisher gab die konventionelle Organisation Vertrauen in Verlässlichkeit und Stabilität. Das hat sich über Jahrzehnte bewährt, doch jetzt bröckelt es. Was soll denn alles anders sein? VUCA, Agilität, Adaptabilität, Homeoffice für alle … eine neue Zeit ist eingeläutet und damit auch neue Organisationsformen und Anforderungen an Führung!

Von der konventionellen Organisation hin zur New Work

Die Suche nach der Idealform neuer Strukturen dauert an. Sind wir hybrid unterwegs mit zwei (dualen) Betriebssystemen, haben wir uns nach der Holokratie aufgestellt oder gibt es agile Teams mit der Hoffnung, dadurch die Unternehmenskultur zu verändern? In der neuen Organisation soll Vertrauen durch Spielregeln geschaffen werden, gemeinsam vereinbart und gelebt. Führung, Koordination, Kommunikation, Kollaboration und Kontrolle (die 4Ks) werden neu verstanden, ausgehandelt, verknüpft und verteilt. Wie schon Peter Drucker sagte: “Strategy is a commodity, executation is an art”.

Wenn die Ausführung, die Umsetzung eine Kunst ist, dann heißt Selbstorganisation, dass Mitarbeiter und Teams (die Experten) in einem verbindlichen und klar kommunizierten Rahmen selber entscheiden, was sie erledigen können und wie sie es am besten tun. Dazu braucht es klare Spielregeln, die auf allen Ebenen für alle Beteiligten gelten, auf die sie bauen und evtl. gemeinsam weiter entwickeln können. Hört sich einfacher an, als es dann gelebt werden kann.

Doch Verantwortung einfach zu delegieren, ohne zu begleiten, beraten und befähigen reicht nicht. Eine Einheit, ein Team unbegleitet und nicht befähigt in die Selbstorganisation zu entlassen, ist einfach fahrlässig. Da wäre ein Stück Kindergartentanten-Arbeit schon wichtig und richtig! Erste Anwendungen von Scrum, von KANBAN/Trello oder Planner Boards, Daylies, kurze Iterationen, rollierende Rollen und Retros sind für viele Unternehmen schon der Anfang. Denn: Selbstorganisation braucht Führung!

Verteilte Verantwortlichkeiten „Shared LeaderShift“

Hier geht es nicht darum, dass sich zwei Personen eine Position teilen, sondern darum, dass es unterschiedliche Führungsrollen gibt, die auf Augenhöhe und kollaborativ verantwortet werden. Das Führungsmodell „Shared LeaderShift“ – entwickelt von Eva-Maria Danzer und mir –  steht für eine Organisationsveränderung, die über Führung gehebelt wird. www.sharedleadershift.com

Transparenz statt Kontrolle, denn „Sharing is Caring“

Denn wenn mehrere Rollen – wie z.B. die des People & Culture Lead, Team & Performance Lead, Customer & Value Lead und natürlich auch Purpose & Strategy Lead – immer mit dem Blick auf den Kunden, die Performance, die Mitarbeiter und den Unternehmens-Nordstern zusammenarbeiten, braucht es Vertrauen unter den Playern, Kommunikation auf Augenhöhe und vor allem Transparenz. Gemäß dem protestantischen Prinzip: Willst Du Dein Haus in Ordnung halten, dann baue große Fenster ein! Ohne Transparenz und Spielregeln führt verteilte Autorität zu Chaos, zu unvereinbaren Realitäten in der Organisation. Selbstorganisation gelingt gut, wenn Unternehmenskennzahlen allen Mitarbeitern bekannt sind… und miteinander Ziele und auch Boni vereinbart werden. Das ist die Königsdisziplin!

Neue Führungskompetenzen stehen auf dem Programm

Statt Durchsetzungsmacht oder Wissen ist Macht, wie wir es auch den hierarchischen Organisationen kennen, ist nun hohe soziale Kompetenz gefordert. Wir brauchen ein Growth Mindset, neue Tools und andere Skills. Es gilt, die Führungskräfte und Mitarbeiter dabei zu unterstützen, diese Kompetenzen zu erwerben und das Team, den Bereich mitzugestalten. Daraus ergeben sich neue Möglichkeiten und auch Herausforderungen. Es müssen Konflikte wahrgenommen und angesprochen werden. Alles nicht einfach, wenn außerdem noch ein virtuelles Setting dazu kommt. Ein Führungsvakuum – wenn die Kindergartentante nicht in die Rolle hüpfen möchte – führt zu Unsicherheiten, fehlender Zugehörigkeit, Konflikten oft bis hin zur Kündigung. Denn Mitarbeiter verlassen ja bekanntlich das Unternehmen wegen der Führungskraft, auch wenn sie nicht richtig anwesend, d.h. in ihrer Rolle ist. Ein riesengroßer Kostenfaktor!

Selbstorganisation braucht Führung

Selbstorganisation, dezentrale Steuerung und verteilte Verantwortung auf unterschiedliche Schultern ist in fast allen Kontexten möglich. Die Umsetzung ist individuell verschieden, es gibt keinen blue-print oder copy-paste.

Selbstorganisation von oben anzuordnen ist schwierig, evtl. kann das Interesse wachgeküsst werden und Neugier entstehen. Wir wissen, dass sich Vertrauen entwickelt , wenn sich alle gemeinsam nach den Regeln der Kunst verhalten. Dazu müssen sie sie kennen und leben wollen!

Kommt Dir hier einiges bekannt vor? Wie lebt Ihr Selbstorganisation oder den Weg hin zu New Work. Welche Schritte seid Ihr schon gegangen? Welche Stolpersteine habt Ihr schon gemeistert? Und wie sieht der Weg in die nahe Zukunft aus.

Ich freue mich über einen Austausch nach dem Motto: „Make me better“!

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