11. Mai 2021
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Der Sprung in die „Teal Organization“ oder Schritt für Schritt zum „Dualen Betriebssystem“?

Sicherlich fragen Sie sich auch, warum so nach und nach im beruflichen Kontext vieles türkis- oder petrolfarben wird. Es gibt kaum ein New Work Buch ohne einen Hauch von Petrol, Visitenkarten und Websites werden türkis getüncht. Das geht bis hin zur Politik, zumindest ein neuer Anstrich und schon ist man lt. Frédéric Laloux auf der höchsten Entwicklungsstufe!

Teal oder auf Deutsch Petrol stellt in dieser Grafik  den höheren Sinn, Ganzheitlichkeit, Selbstführung und evolutionären Sinn dar. Wer möchte das nicht anstreben? Doch heute sind vorherrschend vor allem leistungsorientierte, traditionelle Organisationen im Markt unterwegs, basierend auf Stabilität und Kontrolle. Sie sind stolz auf ihren bisherigen Erfolg, kokettieren auf der anderen Seite auch mit diesem visionären Zukunftsbild. Doch allein mit äußerlicher Kosmetik ist der Wandel nicht getan!

Frédéric Laloux beschreibt in seinem Buch „Reinventing Organizations“ die unterschiedlichen Paradigmen einer jeden Stufe und geht davon aus, dass die nächsten Stufen nicht besser als die vorherigen sind. So sieht er jede Stufe für einen bestimmten Kontext als angemessen, wobei die letzte – die teal-farbene – für mehr Komplexität gerüstet ist. Doch dies ist nicht nur seine Idee. Bereits das Graves Modell geht von unterschiedlichen Entwicklungsstufen des Menschen aus und zwar mit dem Blick auf den psychisch gesunden Einzelnen. In „Spiral Dynamics“ wenden E. Beck und C. Cowan dieses Wissen auf den Management- und Führungsbereich an. Manchmal wird es auch als Reifegrad beschrieben. Doch wie gesagt, je nach Kontext kann auch eine rote Stufe durchaus der richtige Reifegrad sein. Soweit die Grafik.

Ich verstehe darunter, dass in einem Unternehmen durchaus verschiedene Bereiche unterschiedlichen Stufen angehören können. Und das ist auch gut und richtig so. Aus der agilen Haltung heraus begegnen wir dieser t Anders-Artigkeit mit Respekt und Neugier sowie mit Mut für Neues. Mein Bild vom Tanz mit den Eisbergen (Global Management: Ein Tanz mit den Eisbergen) drängt sich auf. Mitarbeitende unterschiedlicher Stufen tanzen möglicherweise je nach Kontext nach anderen Rhythmen. Wie mir eine Expat-Managerin sagte: Du musst barfuß am Strand aber auch in Lackschuhen auf dem Parkett tanzen können. Du musst wissen, wann heißt es „Let´s twist again“ oder „Alles Walzer“! Du musst beidhändig, beidfüßig sein oder auf neudeutsch die Ambidextrie beherrschen.

Viele Unternehmen setzen sich zum Ziel, eine „Teal Organization“ zu werden und das möglichst schnell. Ein Zukunftsbild von Selbststeuerung bzw. Selbstorganisation, von Abschaffung hierarchischer Pyramiden, von Kreisstrukturen und Rollen statt Stellenprofile. Eine Kultur des Vertrauens, des Commitments, der Selbstverantwortung und ein Mitunternehmertum wird visioniert. Doch ist noch nicht alles Gold was glänzt! Wir stehen am Anfang eines Paradigmenwechsels, es gibt keine Blaupause, und Pionierarbeit ist gefragt. Und irgendwie liegt der Wandel von der alten Sicherheit hin zu einer neuen Art von Sicherheit schwer in der Luft.

Doch wie kann die Transformation gelingen, wenn viele Unternehmen im Mittelstand und auch Konzerne mit den traditionellen Stufen bisher sehr erfolgreich waren? Was bedeutet dies für die Unternehmenslenker, die Führungskräfte? Wie könnte ein Übergang oder eine neue Organisationsform aussehen?

Kann das „Duale Betriebssystem“ als Übergangs-Modell oder Alternative gesehen werden?

Vielleicht ist das „Duale Betriebssystem“ von John Kotter ein Angebot? Schauen wir uns diese beiden Grafiken an, die neben einander funktionieren, mal ineinander übergehen oder vielleicht in Zukunft als Verschmelzung erlebt werden.

 

 

 

 

 

 

 

Dieses Zusammenspiel, dieser Shift spielt sich auf allen Ebenen ab, Top-Down und Buttom-Up. Kotter meint, Unternehmen sollten über die „klassische Organisation“ ein „zweites Betriebssystem“ legen, um agil zu werden, denn so Kotter: Unsere Organisationsstrukturen sind nicht dafür gemacht, schnelles und agiles Handeln zu ermöglichen. Wir brauchen Stabilität und Agilität, wir brauchen Hierarchien und Netzwerke. Und mir stellt sich die Frage: Brauchen wir dies in der Transformationsphase oder für immer?

Was bedeutet das für Ihre Organisation?

Ich bin mir ganz sicher, dass der technische Fortschritt, die künstliche Intelligenz überall lauert. Zukunftsgerichtete Organisationen jonglieren Tradition & Moderne, experimentieren mit Transformationen und agilen Arbeitsweisen. Es braucht Spielräume zum Ausprobieren, für Learning & Development. Nicht jede Anforderung muss in einem Lastenheft verortet werden. Agile Sprints, der Blick auf Minimal Viable Products bringen Beschleunigung. Die Einbindung des Kunden ermöglicht den systemischen Blick von außen. 100 % Produktivität bedeutet wie im Verkehrsstau, es gibt keinen Puffer, keinen Spielraum zum Ausweichen, zum Wenden. Keinen Turnaround. Daher: 80 ist das neue 100! Davon bin ich überzeugt!

Was bedeutet das nun für Sie als Führungskraft?

Auch hier bin ich mir ganz sicher: digitale Herausforderungen, Führen auf Augenhöhe, Wechsel zwischen Linien- und agilen Projektteams, Homeoffice, Teams mit breitem Generationen-Mix gleichen einer Achterbahn mit Höhen und Tiefen.Der Methodenkoffer einer jeden Führungskraft muss angereichert, und vor allem das Mindset weiterentwickelt werden. Auch davon bin ich überzeugt.

Vor welchen Herausforderungen stehen nun die Mitarbeitenden?

Der schnelle Wandel, der Wettlauf mit den digitalen Herausforderungen, der Wechsel zwischen agilen, selbstorganisierten Teams und der Linienorganisation erfordern hohe Flexibilität, Resilienz und vor allem ein Growth Mindset. Hybride Arbeitsstrukturen, wechselnde Teamkulturen, heute agil, morgen klassisch. Dem Kultur- bzw. Reverse Culture Shock kann vorgebeugt werden. Das ist meine Überzeugung.

John Kotter hat seine Change Beschleuniger um fünf Prinzipien des dualen Betriebssystems erweitert.

  1. Viele Change-Agents – es müssen mehr Menschen (Freiwillige) am strategischen Wandel beteiligt sein. Er gibt 10 % der Mitarbeitenden aus allen Ebenen als Richtwert für das Gelingen an.
  2. Eine „Ich-Will“ statt eine „Ich-Muss“ Geisteshaltung.
  3. Kopf und Herz statt nur Kopf.
  4. Mehr Führung statt mehr Management, dazu stellt er Visionen, Chancen, Agilität, inspirierendes Handeln und Anerkennung in den Fokus.
  5. Zwei Systeme – eine Organisation. Das Netzwerk und die Organisation müssen untrennbar miteinander verbunden sein, der Austausch von Informationen, sowie „Sharing is Caring“ gilt hier besonders.

Ein Beschleuniger lt. John Kotter ist: „Eine lenkende Koalition aufzubauen und zu pflegen“. Hier erlebe ich in meinem Kunden-Projekt, dass diese lenkende Koalition als Community of Practice (COP) organisiert wird.  Austausch, voneinander lernen, Neues wagen, sich gegenseitig ermutigen, auf Augenhöhe zusammenarbeiten, agile Prinzipien vorleben. Hier ergibt sich ein „innerer Kreis“, der das Wissen, die Erfahrung durchlässig nach außen gibt, eine kleine Einheit, die die agile Transformation anschubst und vorantreibt.

Die Einführung einer dualen Organisation bedarf keiner grundlegenden strukturellen Veränderung. Der Aufbau von Netzwerken, agilen Projekt-Teams, Working Out Loud Circles wird nicht in einem Guss aus dem Boden gestampft, sondern entwickelt sich nach und nach. Was es jedoch braucht, sind Fackelträger, begeisterte Agilisten, die etwas bewegen wollen. Und es braucht das Licht von oben, Unterstützung aus dem Top-Management, Sponsoren, Vorbilder, die aktiv in den Transformation-Teams mitwirken bzw. diese unterstützen. Niemand weiß, was morgen ist. Heute geht es jedenfalls darum, die steigende Geschwindigkeit und die VUCA-Welt (Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität) da draußen zu meistern.

Gerne möchte ich mit Ihnen die Pro´s und Con´s der unterschiedlichen Transformations-Ansätze diskutieren. Schreiben Sie mir bitte unter: bw@wietasch-partner.com

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