11. Februar 2022
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Selbstorganisiertes Lernen steht hoch im Kurs

Szene: Inhouse-Training in einem Seminarhotel. Die Teilnehmer stehen beim Kaffee, sitzen beim Mittagessen oder tauschen sich während der Übungen aus und stauen: „Wenn unser Unternehmen wüsste, was unser Unternehmen weiß…“!

Heute ein ungewohntes Setting. Doch bin ich überzeugt davon, dass dieser Austausch, dieses informelle Lernen, das Schaffen neuer Netzwerke in der Firma ein wesentliches Puzzlestück des organisierten Lernens darstellt. Und genau das ist in den vergangenen zwei Jahren fast völlig zum Stillstand gekommen. Wir erleben e-learnings bzw. online Seminare, in denen die Break Out Sessions oft zu kurz sind, um richtig warm zu werden oder einen psychologisch sicheren Rahmen zu schaffen, um etwas von sich preis zu geben.

Außerdem wird gerade jetzt in vielen Unternehmen wieder der Sparstift gespitzt, Budgets gekürzt und Trainings und Coachings reduziert. Learning in Organizations: Quo vadis?!

Einige Unternehmen . wie z.B. Bosch, Daimler, Merck, haben die Steilkurve gemeistert und sich auf Working Out Loud (WOL) eingelassen. WOL ist eine wunderbare Methode, bei der in kleinen Gruppen von 4 – 6 Personen jede an der eigenen Zielerreichung arbeitet, geführt durch Circle Guides, unterstützt durch die Peers und andere Vorbilder aus dem größeren Umfeld und dies über einen Zeitraum von 12 – 13 Wochen. Laut wissenschaftlichen Erkenntnissen braucht es ca. drei Monate, um neue Routinen aufzubauen, sei es für den Sport, für Ernährung oder eben für das Lernen. Neues Lernen lernen ist gerade in diesen Communities ein wesentlicher Aspekt, sei es in Communities of Practice (Etienne Wenger), Working Out Loud (John Stepper) oder Mastermind Gruppen nach dem Modell von Napoleon Hill. Es geht vor allem darum, von innen heraus – durch eine Art Graswurzelbewegung – selbstgesteuertes Lernen zu ermöglichen. Ganz im Sinne des gespitzten Bleistifts. Manchmal machen sich diese Gruppen genderspezifisch auf den Weg „Frauen stärken“ oder berufsbezogen „Selbständige unterstützen Selbstständige“ oder themenspezifisch „Think and grow rich“.

Nun könnte man glauben, dass genau diese „Learning Communities“ der gegenwärtige Renner der innerbetrieblichen Aus- und Weiterbildung sind. Weit gefehlt! Denn es fehlt an der Zeit, an dem Glauben, es selbst zu vermögen, an einem Mindset wie „Sharing is Caring“.

Wie kann ich Change Konzepte, Transformations-Projekte umsetzen, wenn es keine Zeit zum Lernen gibt? Jeder hat den Tisch oder den e-mail Account mehr als gefüllt bzw. verstopft. Es gibt keinen „Slack“ für Veränderung, fürs Lernen. Ich vergleiche das gerne mit einer Autobahn, die völlig verstopft ist. Da brauchte es die Vorgaben der Regierungen, wenn es staut, eine Rettungsgasse zu bilden, denn ausweichen oder umdrehen ist bei völliger Überlastung unmöglich

Doch wie wäre es, wenn es diese Rettungsgassen auch für das organisationale Lernen gäbe. Je mehr wir uns verändern müssen – VUCA lässt grüßen – desto mehr Neues müssen wir lernen, desto mehr brauchen wir diesen Platz, diese Zeit, diese Rettungsgasse!

Die klassischen „Communities of Practice“ waren lange Zeit in der „Schmuddelecke“, angestaubt aus den 70ziger Jahren. Kollegiale Fallberatung erlebte einen Hauch von „Selbsterfahrungs-Gruppen“ und konnte sich trotz passionierter Überzeugung einiger Personalverantwortlicher nicht wirklich etablieren. Oft überlebten sie nicht einmal ein Jahr. Jeder wusste, dass es gut und wichtig ist, hausintern Konflikte zu lösen bzw. sich interne Hilfe zu holen, doch meist war dafür keine Zeit. Auch nicht, obwohl die Meetings durch HR moderiert und organisiert wurden. Und so blieben unternehmensinterne Potentiale ungeborgen.

Was braucht es den nun tatsächlich, um den Stein ins Rollen zu bringen? Noch höhere Burnout-Zahlen? Mitarbeiter in der inneren Kündigung? Den Verlust der Zugehörigkeit bzw. Identifikation mit dem Unternehmen?

Wie wäre es mit einem Experiment, das den Platz in die interne Auslage – dem Intranet – findet? Mit einem klaren Auftrag der Geschäftsleitung, der Erlaubnis, etwas Neues zu wagen und darüber zu berichten. Das Intranet macht es heute möglich, Sichtbarkeit zu schaffen und auch eine neue Fehlerkultur auszuprobieren: „Fail fast“ – wenn das Experiment misslingt.

Mit dem Arbeitstitel „Leadership goes Digital“ haben Pascal Reischl und ich ein Experiment gestartet, um Führungskräfte fit für die neuen virtuellen Herausforderungen zu machen. Es geht zum einen darum, die hausinternen Video Plattformen bestens anzuwenden und zum andern, sich der 3Cs als Führungskraft im remote Setting bewusst zu werden: Communication, Collaboration & Control. Maßgeschneidert durch Vorabinterviews, 2 x 4 Stunden erlebnisorientiertes, virtuelles Training – Hausübungen und Follow Ups entsteht das Gefühl von gemeinsamem, selbstgesteuerten Lernens und ein Schritt in Richtung Mindset-Shift.

Im nächsten Schritt planen wir den Aufbau einer Learning Community. Hier einige Merkmale für dieses selbstorganisierte Lernen:

  • Freiwillige Teilnahme
  • Commitment mit der Gruppe über einen längeren Zeitraum
  • Eigenständige Zielsetzung
  • Selbstmotivation
  • Geben und Nehmen, d.h. ein Austausch auf Augenhöhe
  • Auswahl geeigneter Lernstrategien und -aktivitäten
  • Festlegung der Rollen (Facilitator, Timekeeper, Harvester) und Rollierung
  • Vereinbarung der Termine, des Ablaufs, der Dauer sowie der Spielregeln

Doch warum sollten Unternehmen diesen Kurswechsel ermöglichen?

Die Einführung selbstorganisierten Lernens im Unternehmen kommt einem Paradigmenwechsel gleich. Denn mit dem Bekenntnis zur Selbstbestimmung und Selbstverantwortlichkeit der Mitarbeitenden werden die aktuellen Strukturen der beruflichen Weiterbildung nicht nur infrage gestellt, vielmehr vollzieht sich eine Abkehr vom bestehenden System. Zu viele Entscheider sind in dem Genehmigungs- und Einkaufsprozess, der Schulungs- bzw. Coaching-Organisation und Evaluierung eingebunden.

Statt dessen braucht es Mut,

  • Mut, sich den Auftrag oder die Erlaubnis von der Geschäftsführung einzuholen und ein Experiment zu wagen
  • Mut, gemeinsam mit den Teilnehmenden die Messkriterien festzulegen
  • Mut, sich als Fackelträger zu zeigen und unterschiedliche Rollen vorzuleben, die dann sukzessiv von den anderen übernommen werden können
  • Mut, neue Kompetenzen zu zeigen, wie
    • Facilitation
    • Konfliktmanagement
    • Community Building
    • Kommunikation und internes Marketing für das Experiment
  • Mut, Zeit und mehr Raum in der Organisation für die interne Weiterbildung zu schaffen.

Denn:

  • selbsttätige, verantwortungsvolle Mitarbeitende sind der Schlüssel zum Erfolg
  • Unternehmen, die schneller im Kompetenzaufbau sind als es das Bildungssystem ermöglichen kann, haben einen Wettbewerbsvorteil
  • Zukunftsorientierung und Flexibilität macht stark für die VUCA Welt.
  • Selbstorganisation und Lerndisziplin baut Brücken in die New Work und schafft die nötige Agilität in Transformationsprozessen.

Diese Learning Communities in Ihrem Unternehmen aufzubauen ist unser Herzenswunsch, und wir sehen uns als Ihre Reisebegleiter auf dem Weg hin zu New Work. Lassen Sie uns jetzt schon den Kurs wechseln! 

 

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