14. November 2018

Wie oft müssen wir das Digitalisierung-Mantra noch beten?

Late-night shopping im Outlet-Center in Parndorf (Burgenland in Österreich) die Autobahnen sind verstopft, da Kunden aus den benachbarten Ländern gerne zum echten Einkaufen hierher pilgern. War es vor dem on-line-Handel genauso, oder shoppen wir jetzt hybrid, zum einen als Erlebnis und zum anderen, um on-line unseren Bedarf abzudecken. Inzwischen kann man sich alles liefern lassen, vom Gemüse bis zur Waschmaschine. Der Einzelhandel hat sich daran gewöhnen müssen, dass er gegen die Konkurrenz im Internet verliert.

Lina-Estland-450x600                                  Foto: Lina Pestal “Hybrid-Architektur”

Und wie sieht das in anderen Bereichen aus? Reiseunternehmen haben ihr Filialnetz schon bereinigt, fast jeder bucht einfache Vorgänge wie Hotel oder Flug mal schnell im Internet. Auch im Bankensektor spüren wir die Digitalisierung mit voller Wucht, mehr als ein Drittel aller Kunden erledigt die Bankgeschäfte on-line. Tendenz steigend. Ein Eventbesuch bei der Bank, außer es gibt einen Pop-up-Store in der Lobby, ist nicht denkbar. Also werden mehr und mehr Filialen geschlossen und damit auch Mitarbeiter überflüssig.

Die einfache Welt von gestern: klare Ursache – klare Wirkung – klare Antworten

Einige Bankvorstände haben wie eh und je ihren Fahrer, ihre Vorzimmer-Dame, und sie führen ihre Truppe noch wie zu Kaisers-Zeiten mit Status-Symbolen und Privilegien, sozusagen Führung auf Lebenszeit. Versicherungsmakler treffen sich mit den Kunden im Kaffee-Haus, und im Konzern ist die IT-Abteilung glücklich, wenn beim Zukauf neuer Unternehmen möglichst rasch die e-mail-accounts migriert werden und das “Licht nicht ausgeht”. Moderne Tools wie ESN (Enterprise Social Networks) existieren, werden jedoch selten benutzt. Und so landet das kostbare Wissen im Grab von tausenden e-mails und niemand hat Zugang, wenn der Empfänger mal nicht im Hause ist. Austausch und Wissenstransparenz nicht in Sicht.

Heute auf der Zukunft-Personal in Wien

Ich besuche gerade eine Paralell-Welt. Es scheint für alle nur noch Transformation, Digitalisierung, agile Leadership, New Work und Flexibilisierung zu geben. Hier treffen sich die zertifizierten Unternehmen, die besten Arbeitgeber, Employerbranding, zufriedene Mitarbeiter sind an der Tagesordnung, Trainer und Berater mit dem neuen Tool-, Skill- & Mindset, stolzieren durch die fast leere Messehalle. Ist das New Work? Quo Vadis? Ach ja: Recruiting-Unternehmen zeigen auf, wie sich die Welt verändert hat: On-line-Recruiting, Bewerbungsunterlagen mit Video-Clips, Skype-Interviews… Algorythmen, ja und der Kollege Roboter war auch als Mitarbeiter am Stand.

Die komplexe Welt mit vielen unklaren Ursachen, vielen unklaren Wirkungen und fehlenden Antworten. Wie schaffen wir Transparenz, Anpassungsfähigkeit, Schnelligkeit und einen klaren Kundenfokus?

Ich lausche Vorträgen in denen Unternehmen wie Haufe-Umantis, Tele-Haase, Buurztorg, oder Upstalsboom vorgestellt werden, wo die Mitarbeiter das Unternehmen mehr oder weniger selbstorganisiert führen. Führungskräfte werden gewählt und wieder abgewählt, die Organisation erfolgt von innen heraus und Investitionen, z.B. um für 150.000 Euro ein Start-Up zu kaufen, liegen in der Verantwortung der Mitarbeitenden. Kunden werden von Anfang an in die Unternehmensstrategie eingebunden und das Feedback dieser in Innovationen und Verbesserungen berücksichtigt. Klar mit viel besseren Betriebsergebnissen. Doch welche Unternehmen sind schon so weit? Welche Inhaber können loslassen und empowern, welche Mitarbeiter wollen die volle Verantwortung übernehmen und Unternehmer werden?

Ich lerne: Freiheit für die Gestaltung der eigenen Arbeit ist ein großes Thema, z.B. flexible Arbeitszeiten, selbstorganisierte Teams bis hin zu Transparenz in den Gehältern und braucht absolute Eigenverantwortung und Selbstorganisation. Und vor allem Vertrauen. Ja und das ist uns, beginnend bei uns Babyboomern, in den letzten Jahrzehnten völlig abtrainiert worden.

Was tun? In dieser neuen Welt müssen wir uns flexibler organisieren, wenn wir beweglicher werden wollen: wir sollten die Führungsaufgabe auf Lebenszeit hinterfragen, transparente Kommunikation schaffen, Mitarbeiter empowernn. Bryce Williams hat schon 2010 gesagt, wenn wir wirklich agil arbeiten wollen, dann müssen wir “out loud” arbeiten, uns über Hierarchien, Abteilungen und Silos austauschen und vernetzen. Seit 2016 hat Bosch “Working out Loud” für sich entdeckt und John Stepper, der Autor des gleichnamigen Buches, zeigt uns, wie wir von- und miteinander lernen können. Das könnte der erste Schritt sein!

Gerne lade ich Sie ein, mit mir darüber zu diskutieren.

 

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