15. Mai 2011
n/a

Mythen im Management: Wir sprechen doch alle Englisch … (1)


„Wer eine Funktion bekleidet, die ihn zur Mitarbeit in einem internationalen Team qualifiziert, kann heute selbstverständlich Englisch.“ Diese ausgesprochene oder unausgesprochene Erwartung herrscht in vielen Unternehmen vor. Ein Mythos! Das zeigt sich spätestens in der ersten Telko oder im ersten Meeting mit Teilnehmern aus unterschiedlichen Ländern.

Der Leiter eines internationalen Projekts berichtet mir, dass der General Manager des Kunden in einem Kick-Off-Meeting immer wieder zustimmte: „Yes, I the same.“ Nach dem Meeting dann das böse Erwachen: Der General Manager hatte fast nichts verstanden und stellte das gesamte Ergebnis der einträchtigen Sitzung infrage. Ein Einzelfall? Kaum. Die Human Resource Managerin eines Baukonzerns erzählt Ähnliches über Telefonkonferenzen mit Teilnehmern aus aller Herren Länder:

„Die Deutschen sagten immer ‚ja, ja’. Eine externe Dienstleisterin meldete sich dann hinterher bei mir: ‚Es ist mir superpeinlich, aber ich habe nichts verstanden, bei dem amerikanischen Slang.’ Wir sind dann noch mal zusammen durchgegangen, was sie machen muss.“

Meine eigene Erfahrung in internationalen Projekten hat mich gelehrt: Natürlich sprechen alle Teammitglieder „irgendwie“ Englisch. Viele Teammitglieder sprechen es jedoch nicht wirklich „fließend“ oder „verhandlungssicher“ – oder was immer sie in ihrer Not in Unternehmen behaupten müssen, die irgendwann Englisch zur Konzernsprache erklärt haben. Und da der Mythos „Englisch kann doch jeder“ regiert, erfordert es viel Mut, in Meetings oder Telefonkonferenzen nachzufragen und damit zuzugeben, dass man etwas nicht verstanden hat. Denn dass nur Asiaten das Gesicht wahren wollen, ist schon der nächste Mythos .. .

Mögliche Folgen des Englisch-Dilemmas:

  • Missverständnisse: Oft denken die Muttersprachler, nun sei alles klar, während die Englisch-Fremdsprachler rätseln, was gemeint und beschlossen wurde.
  • Ungleichgewicht: Muttersprachler dominieren die Diskussion, unabhängig davon, ob sie sachlich-fachlich die wichtigsten Beiträge liefern können.
  • Versteckte Kanäle: Englisch-Fremdsprachler etablieren informelle Kommunikationskanäle, um sich über das Geschehen ohne Gesichtsverlust auszutauschen. Diese Kanäle und die dort ausgetauschten Botschaften entwickeln ein Eigenleben.
  • Interkulturelle Probleme: Unterschiedliche Auffassungen darüber, wie Aufgaben anzugehen sind, wie man miteinander reden und arbeiten sollte, werden von Sprachproblemen überlagert. Folge: Die Probleme schaukeln sich hoch.

Fazit: Kleine Sprachbarrieren können große Wirkung entfalten. Wie Sie vorbeugen können, lesen Sie in Teil (2).
►     Englisch kann (doch nicht) jeder!? Welche Erfahrung haben Sie mit diesem Thema gemacht?

 

Kommentare für diesen Artikel nicht verfügbar!