14. Mai 2015
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Das Ausland im Inland – Interkulturelle Zusammenarbeit

Viele internationale Projekte gleichen dem Zusammentrommeln von Leistungsteams für Europa- oder Weltmeisterschaften. Solche globalen Spitzenteams zu führen ist eine spannende Aufgabe. Gelingt sie, ergibt sich aus der Diversität ein Wettbewerbsvorteil, weil sich internationale Stärken addieren, ähnlich wie in den Spitzenmannschaften im Fußball. Daneben herrscht in etlichen Wirtschaftsbereichen heute eine Internationalität anderer Art, die ich „das Ausland im Inland“ nenne, und die vor nicht minder große Herausforderungen stellt.

In vielen Produktionshallen, auf Baustellen, in der Reinigungsbranche oder Hotellerie arbeiten Menschen aller Herren Länder Seite an Seite. Dabei kommt es vor, dass ganze Abteilungen keine gemeinsame Sprache sprechen, etwa wenn ein ungarischer Küchenchef fünf verschiedene Nationalitäten in seinem Küchenteam hat. Da wird es schnell laut, manchmal fliegen sogar die Bratpfannen. Ähnlich brisant kann die Situation im Housekeeping eines Hotels sein, wo ich Teams in einer Zusammensetzung vorgefunden habe, deren Völker vor einigen Jahren noch miteinander im Bürgerkrieg waren. Ähnlich verhält es sich heute mit Teams, die zusammengesetzt sind mit Mitarbeitern aus der Ukraine und Russland.

In einem anderen mir bekannten Umfeld, einem deutschen Automobil-Zulieferbetrieb, arbeiten in der Produktion ausschließlich Mitarbeiter aus Russland und Bosnien, die Teamleiter sind bunt gemischt aus Osteuropa. Der Umgangston ist geprägt von hoher Machtdistanz – da werden Mitarbeitergespräche schon einmal geführt wie im Militär, und das ist völlig in Ordnung!

In solchen Situationen sind Führungskräfte und die Abteilung Human Resources besonders gefordert. Zwar muss die Situation nicht immer so eskalieren wie in einem Hotel, in dem es unter den Mitarbeitern im Service, die aus verschiedenen früheren Bürgerkriegsparteien stammten, schließlich zu einer Gewalttat kam. Der Vorfall ging durch die Presse und beschwerte dem Haus existenzgefährdende Umsatzeinbrüche. Ein von Sprachlosigkeit und gegenseitiger Abschottung geprägtes Betriebsklima genügt bereits, um die Produktivität und Qualität entscheidend zu senken. Wie Sie entgegensteuern können:

  • Alle Mitarbeiter müssen in Ihren Arbeitsverträgen darauf verpflichtet und unterstützt werden, die deutsche Sprache umgehend zu erlernen. Vorgesetzte und Geschäftsführer müssen für die ihnen anvertrauten Personen die Fürsorgepflicht tragen und sicherstellen, dass Sicherheitsvorschriften verstanden und eingehalten werden können.
  • Die Vorgesetzten solcher Multikulti-Teams müssen in der Lage sein, mit allen Teammitgliedern gut zu kommunizieren. Für die Hotelbranche habe ich beispielsweise mit einem Team von Mitarbeitern Hilfsmittel zur Überbrückung der verschiedenen Sprachen erstellt. Dazu gehörten visualisierte Checklisten und Lern-Videos in unterschiedlichen Sprachen, sodass die täglichen Prozesse und Abläufe bildhaft dargestellt und in Kurztrainings anhand von Videos erklärt werden konnten.
  • Bei Schichtplänen und Arbeitszeiten sollte Rücksicht auf kulturelle Besonderheiten genommen werden. Hohe Feiertage verschiedener Kulturen sollten bekannt sein und gleichermaßen respektiert werden. So wie Mitarbeiter des christlichen Glaubens Weihnachten oder Ostern feiern möchten, gilt das auch für das Fastenbrechen im Islam oder Jom Kippur im Judentum. Wer hier verschiedene Maßstäbe anlegt, schürt Unfrieden.
  • Dasselbe gilt für weitere religiöse Gebote wie etwa lange Fastenzeiten. Möglicherweise können übergangsweise die körperlichen Belastungen durch Zuweisung leichterer Tätigkeit reduziert werden.
  • Wenn wir multikulturelle Belegschaften haben, brauchen wir auch multikulturelle Kantinen oder Seminarverpflegungen.
  • Um das Verstehen der Mitarbeiter untereinander zu fördern, können Deutschkurse angeboten werden. Diese werden häufig durch Förderprogramme unterstützt, zumindest um das Fachvokabular zu vermitteln, so dass Mitarbeiter die Sicherheitsvorkehrungen, Arbeitsanweisungen, Betriebsvereinbarungen usw. verstehen. Inhouse-Seminare speziell auf das Unternehmen abgestimmt, lassen einen Fortschritt rasch erkennen. Denkbar sind auch firmeninterne Mentoren-Programme, in denen mehrsprachige Kollegen mit ähnlichem kulturellem Hintergrund anderen Kollegen Unterstützung bieten. Jedoch Vorsicht vor jeder Art der Ghettoisierung!

  • Bei Einstellungen und Beförderungen sollte einseitige Frontenbildung vermieden werden. Wenn Gruppenleiter und andere Führungskräfte aus verschiedenen Kulturen kommen und interkulturelle Kompetenz bei der Auswahl mit berücksichtigt wird, können diese besser vermitteln und schlichten. Außerdem wird so ein Zeichen dafür gesetzt, dass man es im Unternehmen unabhängig von Herkunft und Religion schaffen kann, nächste Karriereschritte zu gehen.

Möglicherweise lösen sich einige Integrationsprobleme in unseren multikulturellen Gesellschaften, wenn wir unseren Blick neugierig und mit Interesse auf die anderen richten – weg von den trennenden Unterschieden hin zu den Stärken und den Potenzialen, die es zu integrieren gilt.

Für alle eine WIN-WIN Situation: für Arbeitgeber und Arbeitnehmer

Das Unternehmen kann durch die interkulturelle Förderung die Mitarbeiter an sich binden (vertraglich aber vor allem emotional), eine höhere Qualität in der Produktion erreichen und auf diese Weise Fach- und soziale Kompetenzen des ausländischen Mitarbeiters besser erkennen, einsetzen und Übersetzerkosten einsparen. Die Mitarbeiter auf der anderen Seite können sich besser in ihre neue Wahlheimat integrieren, werden selbstständiger und können ihr eigenes Fachwissen besser einbringen.

Für beide Seiten gelten höhere Sicherheiten am Arbeitsplatz und eine bessere Motivation. Die Fachsprache wird vertieft und die Möglichkeit eines nächsten Karriereschrittes für die Mitarbeiter wird geschaffen. Auf der anderen Seite steigt das Arbeitgeber-Image.

Max Frisch sagte schon in den Sechzigerjahren: „Wir riefen Arbeitskräfte und es kamen Menschen“. Nehmen wir uns das Thema heute zu Herzen und schaffen Möglichkeiten, dass die „Gastarbeiter“ sich integrieren können.

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